Der Anfang

für mein Interesse an diesem Verfahren begann eigentlich am Ende.

Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich mich noch nicht mit dieser Problematik beschäftigt.

Im August 96 hörten wir zufällig von einem Bekannten, dass die Verhandlung in Aachen stattgefunden hatte.

Sie können sich vorstellen, dass wir natürlich neugierig waren, das Ergebnis dieser Ver­handlung zu erfahren, und deshalb sofort beim Aachener Verwaltungsgericht anriefen.

Wir erfuhren aber lediglich, dass verhandelt wurde, und das Urteil noch nicht schriftlich vorläge. Näheres könnten wir beim Anwalt erfahren.

Dort erfuhren wir dann telefonisch, dass die Verhandlung 'erwartungsgemäß' verloren wurde, und das Urteil in Kürze zugeschickt würde.

Während der Anwalt bei Übernahme des Mandats die Aussichten positiv darstellte, sagte er jetzt offen, er habe nie eine Chance gesehen.

Weitere Rechtsmittel würden allenfalls 3 Monate Aufschub bringen.

Nach Ansicht des Anwaltes war das Verfahren praktisch zu Ende, und die Ausreise binnen dieser Frist nicht zu verhindern.

Frau All wurde auf Grund dieser Aussage von panischer Angst erfasst, und ich stand der Sache völlig ratlos gegenüber.

Alle Versuche, die inzwischen angekommene Akte mit Frau All zu besprechen scheiterten zunächst, da sie die weitere Beschäftigung mit dem Verfahren als zwecklos ansah.

Nachdem ich mich eingehend mit der Anhörung, dem Bescheid des Bundesamtes, der Klage und dem Urteil auseinander gesetzt hatte, kam ich zu der Überzeugung, dass die Ent­scheidungen nicht richtig sein konnten.

Die Entscheidungen warfen eine Menge Fragen auf, und waren für mich in keiner Weise nachvollziehbar.

Als uns die Akte vorlag, blieb gerade noch eine gute Woche, um Rechtsmittel einzulegen.

Das einzige Rechtsmittel, das uns in dieser kurzen Frist einfiel und zumindest die Rechtskraft vorerst hemmen konnte, war der Antrag auf Berufung.

Obwohl nach Aussage des Anwalts ein solcher Antrag erfahrungsgemäß erfolglos ist, reichten wir, schon allein um wenigstens einen kurzen Aufschub zwecks besserer Überle­gungen zu erreichen, einen entsprechenden Schriftsatz ein.

Ganz davon abgesehen, hielt ich auf Grund des gesamten Ablauf einen solchen Antrag für erfolgversprechend. - d.h. ich wollte die Aussage des Anwalts nicht glauben.

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Das lag zum Einen an meinem festen Glauben an unsere Rechtsstaatlichkeit, und zum Anderen an meiner mangelnden Erfahrung.

Durch entsprechende Literatur begann ich mich mit Asylrecht und Asylverfahren ver­traut zu machen und beschäftigte mich zunächst mit den grundsätzlichen Anerkennungs­voraussetzungen wie Anhörung, Fluchtgründe, Glaubwürdigkeitskriterien usw.

Hier gab mir vor Allem der Beck-Rechtsberater von Jürgen Krais und Christian Tausch die entsprechenden Grundlagen.

Bereits der Asylantrag muss die Fluchtgründe möglichst detailliert, umfassend und in sich schlüssig darlegen.

Das eigentliche Asylverfahren beginnt mit der Anhörung.

Die Anhörung bildet die Grundlage des gesamten Verfahrens.

Die Glaubwürdigkeit des Anhörungsvortrages entscheidet über Erfolg oder Misserfolg des Asylantrages.

Zur Glaubhaftmachung muss die Anhörung eine genaue, vollständige, und in sich schlüssige Darstellung der Verfolgungsgründe aus eigener Erlebnissphäre enthalten.

Um eine willkürliche Beurteilung eines Vortrags zu verhindern, bestehen gewisse Krite­rien, die festlegen woran sich die Entscheidung 'glauben oder nicht' auszurichten hat.

Gemäß der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts muss die Beurteilung der Glaubwürdigkeit durch das Bundesamt oder das Gericht nachvollziehbar sein, und auf einer verlässlichen Grundlage beruhen. ( BVerfG InfAusIR 1991, S.94 [96] ).

Ein unzulässiger Schluss auf Unglaubwürdigkeit liegt vor, z.B. wenn aus der Angabe des Asylbewerbers, keine Ausweispapiere zu besitzen, schon auf seine Unglaubwürdigkeit geschlossen wird, nur weil bekannt ist, dass manche Flüchtlinge bei der Einreise ihre Dokumente vernichten oder verbergen ( BVerfG NVwZ 1992, S. 560 [560f] ).

Nur nachgewiesene Widersprüche, die sich nicht nur auf Randfragen des Verfolgungs­schicksals beziehen, berechtigen zur Annahme der Unglaubwürdigkeit.

Mit diesen Vorschriften soll sichergestellt werden, dass sich die Glaubwürdigkeit mehr am Vortrag als an der vortragenden Person orientiert, da sonst ein geschickter Lügner eher mit einer erfundenen Geschichte zum Erfolg kommen kann, als ein ungeschickt Vortragenden mit der Wahrheit.

Der vorliegende Anhörungsvortrag erfüllt in dieser Hinsicht alle Anforderungen.

Sowohl die Verfolgungsgründe und die dazu führenden Umstände, als auch der Fluchtweg wurden detailliert dargestellt. ( vgl. Anhörung Seite 2-6 )

Die Darstellung enthält Namen, Daten und Orte, ist in sich schlüssig, und frei von übersteigernden Formulierungen, die auf Unglaubwürdigkeit schließen ließen.

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Auffällig ist allerdings die Fragestellung durch das Bundesamt.:
Die Antragstellerin wurde durch die ständig wiederholte Frage nach demTatvorwurf verwirrt.
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Da sie sich der bevorstehenden Festnahme durch Flucht entzog, konnte ihr naturgemäß auch kein Tatvorwurf gemacht werden.

Die Frage konnte so nicht beantwortet werden.

Trotz dieser verwirrende Fragestellung wurde, wie erkennbar, die Frage durch die einzig mögliche Antwort, nämlich dem Verfolgungsgrund korrigiert.

Wenn man sich an dieser Stelle an die Verpflichtung von Amts wegen zu ermitteln erinnert, muss man feststellen, dass dieser Grundsatz nicht nur verletzt wird, sondern solch eine hinterlistige Fragestellung auf das Gegenteil abzielt.

Auch in weiteren diesbezüglichen Fragen blieb die Antwort, trotz der Verwirrungsversuche gleich.:

Diese an sich logische Antwort stellte die Befrager aber keineswegs zufrieden, sondern trug wesentlich zur Einstufung als unglaubwürdig bei.

z.B.:
oder:
Wem auch immer ich bis heute diese Frage vorlegte, - die Antwort war stets gleichlautend, nämlich dass ein Tatvorwurf erst nach einer Ergreifung erhoben werden kann.

Da man den Befragern die Fähigkeit zutrauen muss, die Unlogik dieser Frage zu erkennen, scheint mir die Ansicht, dass diese Frage bewusst so gestellt wurde, nahehegend.

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